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Faktencheck der Stadtverordnetenversammlung in Jüterbog am 19.03.2025
FAKT IST.
#1. Fachkräftemangel in Jüterbog
Was ist los?
In den städtischen Einrichtungen Jüterbogs, bspw. im Jugendclub und im Schwimmbad, herrscht Fachkräftemangel. Bei der Stadtverordnetenversammlung Jüterbog am 19.03.2025 fragte unser Vorsitzender, Tom Siedenberg, daher die AfD-Fraktion, mit welchen Strategien die rechtsextreme Partei diesem Fachkräftemangel entgegenwirken wolle.
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion, Frau Claudia Hofrichter, antwortete in der Einwohnerfragestunde wie folgt:
Unternehmen seien für ihre Mitarbeiter selbst verantwortlich. Von der Regierung müssten Rahmenbedingungen in Form von Gesetzen geschaffen werden, die dabei helfen würden Fachkräfte auszubilden. Auch Fachkräfte aus dem Ausland unterstütze die AfD bei einer „vernünftigen und geregelten“ Migration. Jüterbog und Umgebung hätten kaum Fachkräfte in den letzten Jahren bekommen. Die meisten Geflüchteten und Geduldeten seien keine Fachkräfte und würden somit nicht helfen den Mangel zu beheben. Es gebe allerdings Ausnahmen.
Dass im Landkreis eine Arbeitspflicht für Neuankömmlinge blockiert wird, sei erforderlich zur Verdeutlichung, dass man sich in einer Gesellschaft einbringen müsse. Bei Migranten oder Flüchtlingen, die ihre wahre Identität verschleiern, könne nicht überprüft werden welche Ausbildung sie hätten. Unsere Schüler müssten in Zukunft besser ausgebildet und auf das Arbeitsleben vorbereitet werden. Homeoffice und eine Vier-Tage-Woche würden nicht zum Aufschwung beitragen. Anreize, die z.B. zu mehr Einkommen beitragen würden, müssten von der Bundesregierung verbessert werden. Den Landkreisen/Kommunen müssten mehr Finanzmittel zur Verfügung stehen.
Was daran (nicht) stimmt
Die Antworten von Frau Claudia Hofrichter enthalten eine ganze Reihe von Falschaussagen, andere sind im besten Fall ungenau bzw. irreführend und sogar einmal korrekt:
1. Unternehmen sind für ihre Beschäftigten selbst verantwortlich -> IRREFÜHREND
Es stimmt, dass private Unternehmen für ihre Beschäftigten selbst verantwortlich sind. Diese Verantwortung umfasst den Arbeits- und Gesundheitsschutz, die Sozialversicherung und weitere Pflichten. Frau Claudia Hofrichter sollte jedoch beantworten, wie der Fachkräftemangel bei städtischen, also kommunal verwalteten Einrichtungen bekämpft werden könne. Hier stünde der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin in der Verantwortung.
Dass eine Stadtverwaltung aber auch auf private Unternehmen einwirken kann, indem beispielsweise Jobbörsen organisiert werden, zeigt die Stadt Luckenwalde.
Wo man das nachprüfen kann:
· Bundeszentrale für politische Bildung
· Stadt Luckenwalde
· Pop meets Job
· BGHW
2. Geflüchtete verschleiern ihre Identität -> IRREFÜHREND
Es gibt keine Angaben darüber, wie viele Geflüchtete im Jahr 2024/2025 ihre Identität verschleiert haben sollen. Daher beruht die Aussage von Claudia Hofrichter auf Mutmaßungen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hält zu dem Thema Identitätsverschleierung generell fest: „Die Gründe sind vielfältig: Einige Geflüchtete sind staatenlos, anderen sind die Papiere auf der Flucht verlorengegangen. Auch kulturell unterschiedliche Zeitangaben, mangelnde Kooperation von Herkunftsländern oder Fehler bei Behörden in Europa spielen bei den ungeklärten Identitäten eine Rolle.“
Wo man das nachprüfen kann:
· Institut für Arbeitsmarkt und -Berufsforschung
3. Die AfD befürwortet Fachkräfte aus dem Ausland -> IRREFÜHREND
Die AfD möchte laut ihrem Bundestagswahlprogramm die qualifizierte Zuwanderung von Fachkräften aus Berufsfeldern fördern, in denen in Deutschland ein Mangel herrscht. Diese soll allerdings an strenge Kriterien geknüpft werden. Zugleich möchte die AfD, dass Antragstellende keine Arbeitserlaubnis erhalten, sondern zur gemeinnützigen Arbeit verpflichtet werden sollen. Dies würde einer Versklavung von Menschen nahekommen. Zudem will die AfD nach Entfall des Fluchtgrundes Aufenthaltstitel für Geflüchtete abschaffen. In Deutschland arbeiten aktuell 597.400 Geflüchtete aus nicht europäischen Asylherkunftsländern, die bei entfallenden Asylgründen abgeschoben würden.
Wo man das nachprüfen kann:
· Mitteldeutscher Rundfunk
· Deutschlandfunk
· Statista
4. Kaum qualifizierte Fachkräfte in Teltow-Fläming -> IN KLÄRUNG…
Öffentlich einsehbare Daten gibt es zu dieser Aussage nicht. Wir stellen eine Anfrage an die Kreisverwaltung und reichen die Antwort nach.
5. Eine Arbeitspflicht für Asylsuchende fördert die Integration -> FALSCH
Eine Arbeitspflicht für Asylbewerbende könnte Integrationsbemühungen, insbesondere mit Blick auf den Arbeitsmarkt, sogar verschlechtern. Asylbewerbende, die zu einer fachfremden Arbeit gezwungen werden, haben weniger Zeit, sich für reguläre, ihren Qualifikationen entsprechenden Jobs zu bewerben. Je ferner die Tätigkeit, desto unwahrscheinlicher ist eine reguläre Beschäftigung im Anschluss. Eine „blinde“ Arbeitspflicht allein reicht also nicht aus.
Wo man das nachprüfen kann:
· ZDF
· Mitteldeutscher Rundfunk
· RBB24
· Pro Asyl
6. Homeoffice und 4-Tage-Woche tragen nicht zum Aufschwung bei -> FALSCH
Homeoffice und eine 4-Tage-Woche können das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitenden verbessern. 6 Monate lang testeten 45 Unternehmen in Deutschland die 4-Tage-Woche mit verkürzter Arbeitszeit. Im deutschlandweit größten Pilotprojekt dieser Art, durchgeführt von der Unternehmensberatung Intraprenör in Berlin und der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster, gaben 90 % der Mitarbeitenden an, dass sich ihr Wohlbefinden verbessert habe.
Wo man das nachprüfen kann:
· RBB24
· Studie
7. Die AfD setzt sich für höhere Einkommen ein -> FALSCH
Dem Anstieg des Mindestlohns auf 12 € hat die AfD im Jahr 2022 im Bundestag nicht zugestimmt, weil “die politische Anhebung des Mindestlohns den Markt außer Kraft setze”. Als im Bundestag während der Corona Pandemie über eine Sonderprämie für Beschäftigte in sogenannten systemrelevanten Berufen (also bspw. Krankenhauspersonal, Erzieher*innen u.ä.) gesprochen wurde, lehnte die AfD das mit der Begründung einer ungeklärten Finanzierung ab.
Wo man das nachprüfen kann:
· Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
8. Landkreise und Kommunen brauchen mehr finanzielle Mittel -> WAHR
Bereits 2023 mussten die Landkreise mit einem Minus von 1,83 Milliarden € die drittschlechteste Bilanz seit der Wiedervereinigung verzeichnen. Von den insgesamt 294 Landkreisen in Deutschland sind 240 ver- oder überschuldet. Der deutsche Landkreistag schätzt den bundesweiten Fehlbetrag auf rund 20 Milliarden €. Allein für die Bewältigung von regulären Aufgaben muss der Landkreis sich immer weiter verschulden. Die im Grundgesetz verankerte Selbstverwaltung sei daher nicht mehr gegeben.
Kommunen finanzieren sich aus Steuern, wie der Grundsteuer oder Gewerbesteuern. Diese reichen nicht aus, um die Pflichtaufgaben umzusetzen. Deshalb fordern viele Kommunen, dass die Bundespolitik, die Kommunen besser unterstützen sollte.
Wo man das nachprüfen kann:
· ZDF
· Städtetag
· Kommunal.de